Letztes Update: 5. September 2024, 21:18
Eine besonders eindrückliche Postautolinie trägt die Liniennummer 631 und verbindet den Bahnhof Brig über den Simplonpass mit Domodossola in Italien. Für die Strecke, welche die Bahn in rund 40 Minuten schafft, brauchen die Postautos gut zwei Stunden – oder auch mal mehr, wenn, wie fast jeden Sommer, zahlreiche Baustellen den Fahrplan beeinträchtigen. Der Iveco Crossway hat nach zwei Runden über den Pass noch eine kurze Runde auf der Linie 632 vor sich, als er abends am Bahnhof Brig steht.
Zuerst führt die Fahrt ab Brig hinauf ins Dorf Ried-Brig, das allerdings über die Umfahrung nur am Rande bedient wird. Oberhalb des Dorfes beginnt dann der Anstieg, der die Nationalstrasse durch Galerien, Tunnels und Lehnenviadukte rasch bergwärts führt...
…bis zum ersten Höhepunkt der Fahrt, der Ganterbrücke. 1980 eröffnet, überspannt sie das gleichnamige Seitental in über 150 Metern Höhe. Von 1980 bis 2014 war das 174 Meter lange Hauptfeld das längste Brückenfeld der Schweiz, diesen Rang musste die Brücke dann allerdings abgeben. Eindrücklich bleibt sie trotzdem.
Kurz darauf passieren die Busse die Weiler Berisal und Rothwald, wobei letzterer auch Einstiegspunkt zu einem kleinen Skigebiet ist. In Berisal ist dieser Sprinter unterwegs Richtung Süden – ein werktägliches Kurspaar am frühen Morgen Gondo–Brig–Gondo wird, durch die Gemeinde Gondo als PU, mit diesem Fahrzeug geführt.
Zwischen Rothwald und der Simplon-Passhöhe verlassen die Busse kaum noch die Galerien, welche den wintersicheren Ausbau der Strecke ermöglichten und deren ältesten Exemplare schon zu Zeiten von Napoleon die damalige Handels- und Militärstrasse vor Naturgefahren schützten. Heute sind sie natürlich alle zweispurig ausgebaut – bei Schallbett verlässt der Bus ganz kurz die Galerien, um den Halt beim gleichnamigen Restaurant zu bedienen.
Kurz darauf erreichen die Busse die Passhöhe – auf 2004 Metern über Meer, und somit rund 1300 Höhenmeter oberhalb des Ausgangspunktes. Die Luftlinie hinunter nach Brig beträgt knapp 8 Kilometer – die Strasse benötigt deren 21, was immer noch eine Durchschnittssteigung von 6% ergibt. Auf der Passhöhe bedient der Bus mehrere Haltestellen – im Bild hat der Bus, auf der Nebenstrasse vom alten Hospiz im Hintergrund kommend, die Haltestelle Monte Leone beim gleichnamigen Hotel erreicht.
Direkt nach dem Hotel beginnt die Talfahrt – welche in Sachen technischen Anforderungen der Bergfahrt in nichts nachsteht. Die Simplonpassstrasse, als Nationalstrasse klassiert, ist durch zahlreiche LKW stark belastet, welche sowohl auf der Schleichfahrt bergwärts als auch talwärts den ÖV stark behindern – die Fahrzeiten können je nach „Vorfahrer“ durchaus um 10-20 Minuten abweichen. Für den Bus ist die lange Talfahrt hingegen dank Retarder und relativ geringer Last kein grösseres Problem…
….und schon nach wenigen Minuten wird Simplon Dorf erreicht. Das Dorf mit seiner italienischen (Berg-)Architektur und mehreren hübschen Übernachtungsmöglichkeiten liegt bereits rund 500 Höhenmeter tiefer und wird seit dem Ausbau der Strecke auf Nationalstrassenstandard in den 1970er-Jahren durch den Hauptverkehr umfahren. Bei der alten Post legt der Crossway auf seinem Weg nach Brig einen kurzen Halt ein.
Nach dem Dorf folgt gleich ein weiterer Abstieg – und nochmals 250 Höhenmeter tiefer (aber nur wenig mehr als ein Kilometer entfernt) passieren die Busse den Weiler Gabi, eine alte Wegstation des früheren Saumpfads und der späteren napoleonischen Strasse. Nur noch eine gute Handvoll Einwohner lebt ganzjährig im Weiler – in der ganzen Gemeinde Simplon Dorf sind es noch 281, 50 weniger als vor 25 Jahren und 150 weniger als zu den besten Zeiten in den 1880er-Jahren. Hinten rechts ist bereits der Eingang zur Gondoschlucht zu erkennen…
…eine der eindrücklichsten Passagen der Strecke. Auch hier führt die Strasse – ganz im Gegensatz zum eindrücklichen Stockalperweg, der abgesehen von einer steinschlagsicheren Passage durch das historische Fort durchwegs auf dem Dach der Galerie oder auf der anderen Talseite entlangführt – mehrheitlich geschützt durch Galerien und verlässt diese nur kurz – etwa hier beim so genannten Hohsteg, wo die Strasse das Flüsschen Doveria (in Italien Diveria) quert.
In Gondo ist dann das letzte Dorf der Schweiz erreicht. Die Gemeinde war der schweizer Bevölkerung bis zum 14. Oktober 2000 weitgehend unbekannt und gelangte danach zu Bekanntheit, weil ein Felssturz eine Schneise in das Dorf riss. Die Katastrophe forderte 13 Todesopfer und zerstörte 8 Gebäude, rund ein Drittel des kleinen Dorfes – auch der historische Stockalperturm, benannt nach der Handelsfamilie aus Brig, welche das Dortige Schloss erbaut und den damaligen Simplon-Saumpfad kontrolliert hatte, wurde auf seiner anderen Seite massiv beschädigt und musste wieder aufgebaut werden. Hier zweigt auch eine interessante Kleinbuslinie nach Zwischbergen ab, zu der wir später noch kommen.
Für die Busse ab Brig ist in Randstunden in Gondo Endstation – am frühen Morgen stellt ein Kleinbus, geführt durch die Gemeinde als PU, ein Anschluss an den nahen, aber bereits in Italien gelegenen Bahnhof Iselle di Trasquera sicher, von wo ein Pendlerzug die Leute mit nach Brig nimmt. Der Bus hat das Dorf bereits passiert und ist nun beim Südportal des 19 Kilometer langen Simplontunnels unterwegs gegen den Bahnhof. Abends fährt ein Kurspaar ab Brig bis Iselle, um vor der Rückfahrt nach Brig einen zusätzlichen Pendlerkurs Iselle–Simplon Dorf–Iselle mit Bahnanschluss zu absolvieren.
Tagsüber fahren drei Postautokurse ab Iselle weiter bis Domodossola, der Marktstadt im Ossolatal. Die Stadt ist Ausgangspunkt des Regionalverkehrs von Trenord nach Milano, der Centovallibahn nach Locarno und diverser Buslinien in die Seitentäler. Beliebt sind die Postautos vor allem bei Tagesausflüglern und dies insbesondere an den Markttagen – dann werden die Busse regelrecht überflutet. Während einiger Jahre wurde dann sogar mit 3-Achsern gefahren, die im Winter vor allem im Saastal Verwendung fahren – hier erreicht ein Bus, den ausgedehnten Bahn-Gebäuden entlangfahrend, gerade mit einiger Verspätung die Endhaltestelle beim Bahnhof Domo.
Erst seit Dezember 2009 existiert eine Postautolinie ins Zwischbergental und somit zum zweiten „Teil“ der Gemeinde Gondo-Zwischbergen (welche faktisch offiziell nur „Zwischbergen“ heisst). Die Linie gilt als „PubliCar“ und fährt somit nur, wenn Anmeldungen vorliegen – was vor allem bei schönem Wanderwetter der Fall ist, denn von den noch etwa 70 Einwohnern der Gemeinde lebt kein Dutzend mehr ganzjährig im namensgebenden Tal). Der Kleinbus wird von der Regie Brig zur Verfügung gestellt, das Personal stammt hingegen von der Gemeinde Gondo-Zwischbergen als PostAuto-Unternehmerin bzw. Akkordantin. Im Bild hat das Fahrzeug gerade das Dorf verlassen…
…und nimmt nun die zehn Kehren in Angriff, welche nötig sind, um den steilen Taleingang mit seinen schluchtartigen Wasserfällen zu überwinden. Nicht alle der Kehren können in einem Zug befahren werden.
Beim Weiler Hof ist die erste Zwischenhaltestelle, die allerdings kaum genutzt wird – die meisten Fahrgäste fahren bis zur Endstation Bord. Im folgenden Weiler Belleggen liegt die Alpkäserei des Tals – bis dort ist die Strasse üblicherweise (mit Unterbrüchen) auch im Winter befahrbar.
Die beiden Galerien, die die dahinterliegende Schlucht durchwegen, sind vor allem notwendig, um die Strecke bis zum Stausee Sera möglichst durchwegs befahrbar halten zu können; das Grosse Wasser, wie der Talfluss hier wenig phantasievoll heisst, wurde hier aufgestaut, es ist bereits das zweite (und grössere) Staubecken auf dem Weg des Gebirgsbachs und dient zur Stromgewinnung vorne im Haupttal.
Wenig später und nach einem weiteren kurzen Aufstieg wird der Weiler Bord mit Kapelle und urigem Gasthaus erreicht. Es ist die Endstation der Buslinie und Ausgangspunkt für Wanderungen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad bis zuhinterst im Tal und über verschiedene Pässe nach San Lorenzo, Antronapiano (beide Italien), Gabi oder Saas-Almagell.