Letztes Update: 1. November 2023, 10:20
Ab der wenig einladenden Badener Postautostation starten die Buslinien 352-354 in Richtung Staudenland bzw. Surbtal. Diese Gegend, im Zürcherisch-Aargauischen Grenzgebiet gelegen, hatte in den vergangenen Jahren wie viele im Sog der Grossstadt Zürich einen starken Einwohnerzuwachs zu verzeichnen, und inzwischen fahren die Postautos verschiedener Linien zum Viertelstundentakt überlagert – in Spitzenzeiten sogar zwei gleichzeitig. Der Bus der Linie 353 links wird nach Freienwil – Endingen fahren, der rechte, etwas ältere A-Welle-Gelenkbus nach Kaiserstuhl AG.
Gleich nach dem Bahnhof Baden durchqueren alle drei Buslinien den Jura-Ausläufer «Stein» mit der gleichnamigen Burgruine in einem Tunnel, bevor sie den berüchtigten Verkehrsknoten mit dem irreführend dörflichen Namen «Schulhausplatz» erreichen. In einer jahrelangen Grossbaustelle wurde dieser in den 2010er Jahren entflochten mit dem Ziel, den ÖV stabiler und schneller abzuwickeln; neben einer zweiten Tiefebene für den Fussverkehr gehört dazu auch ein unterirdischer Bus-Bypass. Ein MAN-Gelenkbus der Regie Endingen taucht hier nach kurzer und kurviger Tunnelfahrt wieder aus dem Untergrund aus; oben rechts ist die kurz vorher unterquerte Burgruine Stein zu sehen.
Die Buslinien werden bis auf einen Umlauf von der Regie gefahren; die Ausnahme ist der tägliche Umlauf von PU Indermühle, Rekingen, welcher inzwischen wie alle anderen auch mit einem Gelenkbus geführt wird. Im Bild ist der inzwischen ausrangierte MAN-Standardwagen des Betriebes unterwegs bei der Kantonsschule Wettingen in Richtung Baden – er wird in Kürze die Hochbrücke überqueren, welche 1925/26 erbaut wurde und die Limmat auf dem Niveau der angrenzenden Wohnquartiere quert.
Die nördlich der Reuss gelegene Nachbargemeinde Ennetbaden wird von den Postautos nicht direkt durchfahren, diese nehmen den Weg über die Hauptstrasse, welche das Dorf in gleichmässiger Steigung umfährt und dann beim Höhtal die kleine Passhöhe vom Reuss- ins Surbtal quert. Der MAN A23 hat die Anhöhe schon fast geschafft und passiert in Kürze das Restaurant, der Blick geht zurück über Ennetbaden nach Baden und Turgi.
Nach der Passhöhe durchfahren die Busse das Dorf Ehrendingen, das inzwischen weit über einen Kilometer lang der Kantonsstrasse nach gewachsen ist und 4800 Einwohner umfasst (+60% seit 1990). Am untersten Ende erreichen die Linien 352 und 354 den Knoten „Tiefenwaag“, wo Umsteigebeziehungen auch zur Linie 355 (Niederweningen – Döttingen) bestehen. Der Bus aus Döttingen hat soeben seine Reisenden abgeladen, die von hier zum Teil mit der Linie 354 weiter nach Baden fahren, und fährt nun weiter ins nahe Niederweningen an der Kantonsgrenze zu Zürich.
Auch die Linie 354 würde diesen Weg einschlagen, doch dazu später. Die Linie 352 fährt genau in die Gegenrichtung talauswärts in Richtung Lengnau und Endingen, wo sie tagsüber endet. Das Surbtal ist historisch eine interessante Region, war sie doch über lange Zeit eine der wenigen Schweizer Gegenden, in denen sich Juden frei ansiedeln konnten. Deren Geschichte wurde auch in spannenden Büchern aufgearbeitet und wirkt bis heute in Flurnamen oder Institutionen nach. Davon unbeeindruckt ist dieser MAN A20, inzwischen ausrangiert, unterwegs bei Unterendingen in Richtung Freienwil und Baden, nach der Durchfahrt durch Endingen wird er den israelitischen Friedhof passieren.
Die Linie 353 führt genauso wie die Linie 352 ins Surbtal, nimmt aber ab dem Dorfkern von Ehrendingen nicht den Weg über Tiefenwaag, sondern über das in einem Seitental gelegene Freienwil. Der letzte von einst vier Citaro-Gelenkbussen des Endinger Regiestandortes hat im Bild das Dorf durchquert und fährt nun talauswärts auf Lengnau AG zu. Tagsüber endet die Linie 352 jeweils in Endingen und bietet Anschluss mit der Linie 360 (Brugg – Bad Zurzach) nach Tegerfelden; die Linie 353 fährt mangels Anschluss direkt bis Tegerfelden.
Dort befindet sich bei der Haltestelle „Hochbrücke“ ein weiterer Mini-Knoten. Die einzige Linie, welche diese Hochbrücke tatsächlich befährt, ist die Linie 355 Döttingen – Niederweningen, seit Ende 2015 ebenfalls mit Gelenkbussen bedient. Der Bus überquert so die Surb und den Dorfkern und erreicht in 50 Metern die Haltestelle, wo in wenigen Minuten Anschluss auf die Linie 360 nach Bad Zurzach besteht.
Bis 2015 wurde die Linie am Wochenende und in Randstunden verkürzt nur zwischen Döttingen und Endingen geführt, wo Anschluss auf die Linie 352/353 bestand; so konnte die Standzeit eines Busses von PU Erne in Döttingen ausgenutzt werden. Auch tagsüber wurden auf der Linie vorwiegend Standardbusse eingesetzt, wovon heute (Stand 2017) nur noch ein Exemplar in Endingen beheimatet ist. Im Bild wartet ein MAN A20 auf den Anschlusszug aus Baden, um danach die Fahrt durch das Surbtal aufzunehmen.
Zwischen Tiefenwaag und Niederweningen fahren die Busse der Linien 354 und 355 parallel zueinander über die frisch ausgebaute Surbtalstrasse. Dem Fahrgast bietet sich hier ein ungewohntes Bild: Ein Staudamm, Standpunkt des Fotografen, ohne See. Nach mehreren Hochwassern wurde er zwischen 2009 und 2016 als Teil eines von zwei Hochwasser-Rückhaltebecken erbaut, welche in Zukunft die stark gewachsenen Surbtaler Gemeinden vor den Auswirkungen dieser Naturgewalt schützen sollen.
Der Bahnhof Niederweningen hat sich inzwischen zu einem regionalen Busknoten gemausert, von wo die halbstündlich von und nach Zürich mit der S15 reisenden Fahrgäste mit Bussen weiter ins Surbtal und Staudenland geführt werden. Die Busse der Linie 354 kreuzen sich hier halbstündlich (vorne im Bild jener in Richtung Baden), und die Linie 355 bietet in der HVZ ebenfalls halbstündlich gute Anschlüsse nach Endingen, wo die Linie gebrochen wird. So begegnen sich regelmässig drei Gelenkbusse auf der engen Vorplatzanlage zwischen Gleisen und Kantonsstrasse.
Ziel der Linie 354 ist Kaiserstuhl AG, am Rhein an der Bahnlinie Bülach – Zurzach (ZVV S41) gelegen. Heute enden die Busse stündlich (HVZ halbstündlich) am Bahnhof, die Linienverlängerung zur Haltestelle Schulhaus wurde mit der Umstellung auf Gelenkbusse Ende 2015 aufgegeben. Zuvor fuhren die Busse auch durch die kleine, aber schöne historische Altstadt, hier auf der Rückfahrt zum Bahnhof ein MAN A20 der Regie.
Die Fahrt von Niederweningen nach Kaiserstuhl führt über einen zweiten „Mini-Pass“ ohne Namen zwischen Siglistorf und Schneisingen; der MAN A40 von PU Indermühle, Rekingen, welcher einen der Umläufe der Linie bestreitet, erreicht gerade von Siglistorf kommend das Dorf Unterschneisingen, wird aber zuerst das oberhalb gelegene Oberschneisingen bedienen, bevor er dann die Haltestelle Mitteldorf im Rücken des Fotografen bedient.
In früheren Zeiten begannen und endeten die Kurse in den Nebenverkehrszeiten bereits in Mellikon Chessel, der ersten Rheintaler Haltestelle. Erst seit 2015 fahren alle Kurse systematisch weiter dem Rhein entlang bis Kaiserstuhl, hier ist ein MAN A20 der Regie unterwegs durch das Dorf Rümikon, welches auch mit der Bahn bedient wird; Sowohl Rümikon als auch Mellikon erhielten in den 1990er-Jahren neue Haltestellen, während der alte Bahnhof Rümikon-Mellikon unweit der früheren PostAuto-Endstation Mellikon Chessel aufgegeben wurde.