Letztes Update: 13. Mai 2023, 6:51
Der Bahnhof Flüelen war jahrzehntelang Ausgangspunkt PostAuto-Fahrt, welche denen über die grossen Alpenpässe in nichts nachsteht: Jener über den 1948 Meter hohen Klausenpass ins Glarnerland. Noch bis Dezember 2022 war diese Strecke eine Postautolinie – seither bedient die Auto AG Uri, welche ab den 1970er-Jahren als Postauto-Unternehmerin amtete, die Linie in Eigenregie. Bereits etwas frühere endete die Bedienung des Bahnhofs Flüelen mit seinem ikonischen Bahnhofsgebäude (es sollte einst der Prototyp für zahlreiche Bahnhofsneubauten sein und wurde vom Designer der SBB-Uhr, Hans Hilfiker, entworfen): Seit Eröffnung des ausgebauten Bahnhofs Altdorf als «Kantonsbahnhof» im Rahmen der NEAT…
…starteten die Postautokurse dort. Auf dem massiven Bushof begegneten die Schächentaler Postautos gelegentlich noch den PostAutos nach Isenthal, ansonsten waren sie aber umgeben von den inzwischen üblicherweise grau-silbernen Bussen der Auto AG Uri.
Schon nach wenigen Minuten war das Telldenkmal in Altdorf und damit die alte Linienführung erreicht. Hier bestand jeweils Anschluss an verschiedene Lokallinien der AAGU, welche heute ebenfalls in den neuen Knoten am Kantonsbahnhof eingebunden sind und so den Platz um das Telldenkmal entlasten.
Altdorf, der Kantonshauptort von Uri und Standort eines grossen Klosters, ist zu einem langgezogenen Dorf gewachsen. Erst zwei Haltestellen nach dem Telldenkmal passiert der Bus das Kollegium, das heute die Mittelschule des Kantons ist, und biegt von der alten Gotthard-Hauptstrasse ab. Sogleich beginnt die Steigung…
…welche den Bus nach Bürglen führt, bereits zum ersten Mal mit zwei 180-Grad-Kehren. Das Telldenkmal in Altdorf ist nicht die einzige Spur des Nationalheldes (den es so vielleicht nie gegeben hat) an der Linie: In Bürglen, dem mutmasslichen Wohnort Tells, befindet sich das Tell-Museum, welches der ansonsten unspektakulären Gemeinde etwas Ruhm und einige Touristen bringt.
Der unterste Teil des Schächentals wird seit der NEAT-Eröffnung viertelstündlich von den Bussen der AAGU-Linien 2 und 3 bedient. Diese endeten bis Ende 2022 allerdings bei der Haltestelle Brügg. Nomen est Omen: Die Busse queren den Schächenbach auf einer Brücke. Hier noch das alte Bauwerk, seit 2014 rollt der ganze Verkehr zum Pass über eine moderne, zweispurige Brücke, und lediglich die Linienbusse befahren noch die alte Brücke, um zur Haltestelle zu gelangen. Brügg ist übrigens Talstation für die Luftseilbahnen nach Biel und Ruogig, von wo aus der Klausenpass über einen schönen Höhenweg erreichbar ist.
Zum zweiten Mal gibt’s in Spiringen „Pass-Feeling“: Das Dorf, auf einer Kanzel oberhalb des wilden Schächebachs gelegen, muss mit drei Kehren erklommen werden. Das Dorf selbst liegt auf einer relativ flachen Hangterrasse, hier ein Setra 313UL bei der Haltestelle Post. Schon gegen Ende der Postauto-Zeit wurde die Linie übrigens vollständig niederflurig bedient, der letzte Setra 412UL wurde 2021 ausrangiert. Seit Ende 2022 wird das Schächental durch Verlängerung einer AAGU-Linie ab Brügg bedient, was im Sommer eine Durchmesserlinie Attinghausen – Linthal ergibt.
Das hinterste Dorf im Tal ist schliesslich Unterschächen. Noch fehlen gut 1000 Höhenmeter zum Pass, und so liegt das Dorf tief im Tal. Der Standardbus 51, ein inzwischen ausrangierter Setra 315NF, hat bei der Post seinen Kurs begonnen und erklimmt nun eine kurze Steigung, welche die Strasse um eine Steilstufe des Schächenbachs herum führt. In der Sommersaison war über lange Jahre der Einsatz eines AAGU-Fahrzeugs in Orange auf einigen Kursen bis Unterschächen bzw. Urigen üblich. Der Setra war lange Zeit das Standardfahrzeug der AAGU für diese Kurse und im Gegensatz zum Rest der orangen, bzw. heute grauen, Flotte auch mit Dreiklanghorn für Fahrten bis zum Pass ausgestattet. Später war das Dreiklanghorn im Citaro Nr. 13 eingebaut, der in Grau-silbern ebenfalls regelmässig ins Schächental gelangte, wenn auch offiziell nur bei Ausfall eines «echten» Postautos.
Nach Unterschächen beginn der steile Anstieg zur Passhöhe, die Strasse wird schmaler. Bis Urigen wird allerdings auch die Passstrasse ganzjährig befahren…
…denn die kleine Siedlung mit dem historischen Posthotel wird ganzjährig von Schülern bewohnt, welche mit dem Postauto die nächsten Schulhäuser erreichen müssen. Im Sommer ist das auf der Sonnenseite des Tals gelegene Gasthaus vor allem Ausflugsziel, und wird noch heute von vielen Chauffeuren mit dem klassischen PostAuto-Dreiklang „begrüsst“.
Nur ein Kurs pro Schultag – am Mittwoch mittags, ansonsten nachmittags – fuhr zuletzt ab Urigen auch im Winter weiter bis Frittertal, dem letzten Weiler vor dem im Winter gesperrten Abschnitt des Passes. Während die Schüler, die sich inzwischen an eine Hand abzählen lassen, morgens von ihren Eltern bis Urigen gebracht werden, ermöglicht das Postauto die Rückfahrt, ohne die Eltern von ihrer Arbeit abzuhalten. Vor wenigen Jahren wurde sogar extra ein Wendeplatz für diese Kurse erbaut, um die nicht ganz ungefährliche Dreipunktwende direkt vor der Sperre zu eliminieren… Im Bild ein herbstlicher Schülerkurs auf ebendiesem Wendeplatz.
Eine letzte Verschnaufpause für die Chauffeure ermöglicht der kurze, zweispurig Ausgebaute Abschnitt oberhalb von Urigen nach Frittertal Das Ziel, die Passstrasse durchgehend zweispurig auszubauen, ist zum Glück in die Ferne gerückt, und Abschnitte wie diese eher Ausnahme. Das zweifarbige Gespann war übrigens nicht besonders aussergewöhnlich für die Klausenpass-Linie, hielt doch die AAGU für die dreimonatige Sommersaison nicht extra postauto-farbige Zusatzwagen bereit.
Nach Frittertal beginnt der wohl eindrücklichste Abschnitt der Strasse: Mehrere hundert Meter über dem Schächental schlängelt sich die Strasse einspurig dem Fels entlang – eine der ganz wenigen Strecken in der Schweiz, welclhe als «sehr gefährliche Strecke» bezeichnet ist (auch aufgrund der aus Platzgründen fehlenden Möglichkeit zum Anbringen von Leitplanken mit Unterrollschutz für Töfffahrer, welche den Pass an schönen Sommertagen fluten). Im Bild hier einer der drei für die Linie vorhandenen Hess-Bergbusse auf Talfahrt Richtung Uri mit Blick auf den so genannten «Stäuberfall», welcher während den zwei Corona-Sommern zum neuen Instagram-Magnet wurde…
…und ein weiterer Bus auf Bergfahrt kurz vor dem Ende des schwierigsten Abschnittes mit Blick zurück ins Schächental.
Kurz darauf wird nach einer weiteren Doppelkehre das Hotel Klausenpasshöhe erreicht, in Wirklichkeit einige hundert Meter darunter gelegen im Gebiet Balm. Für die Busse war hier über Jahrzehnte ein Pausenhalt eingeplant (bei den Mittagskursen wird sogar aus Umlaufgründen hier gewendet und nach einer Essenspause im Hotel das Fahrzeug gewechselt). Heute ist der Halt aufgrund der nicht mehr passenden Bahnfahrpläne in Richtung Uri auf 10 Minuten geschrumpft und beträgt dafür in Richtung Glarnerland fast eine Stunde. Auch das alt-ehrwürdige Hotel aus 1903 musste einem (sehr gelungenen!) Neubau weichen, da die charakteristische Schräglage so stark wurde, dass trotz Rettungsmassnahmen ein sicherer Betrieb nicht mehr möglich war!
Nach dem Hotel ist noch einmal der Blick zurück ins Schächental möglich, bevor dann die Passhöhe mit ihrem unspektakulären Bistro erreicht ist. Die Kurse aus Uri fahren für Wanderer stets bis zur Passhöhe und danach leer zurück zum Hotel, um den Wanderern die 50-minütige Pause beim Hotel zu ersparen.
Direkt nach der Passhöhe auf 1948 m.ü.M. beginnt dann auch schon wieder die Talfahrt Richtung Glarnerland, bis zur Alp Vorfrutt noch relativ sanft…
…und dann aber in zahlreichen engen Kehren hinunter bis zum Urnerboden, unzweifelhaft die grösste, gemäss Eigenwerbung auch die schönste Kuhalp der Schweiz. Wie zuvor schon oberhalb des Schächentals ist auch auf diesem Abschnitt Kreuzen nicht immer möglich, und die Busse verlieren bisweilen einige Zeit beim «Sägelen» - immerhin waren die 2017 und 2021 beschafften Hess-Bergbusse wieder etwas kürzer und schmaler als die von 2004 bis 2021 hier mit Sondergenehmigung (eigentlich ist die Strasse immer noch auf 2.30 Meter beschränkt) eingesetzten Setra-Autobusse. Die Busse bleiben auch ab 2022 – nun in einem touristischen AAGU-Spezialdesign – am Klausenpass im Einsatz.
Im Abstieg wird auch der Talkessel der Klus mit seiner eindrücklichen Felswand durchfahren, ebenfalls Ausgangspunkt für Wanderungen Richtung Claridenfirn und Fisetengrat und deshalb mit eigener Haltestelle ausgestattet. Im Bild ein Hess-Bergbus auf Bergfahrt…
…und eine weitere, etwas ältere Aufnahme mit Setra 313UL vor den felsigen Flanken des Ortstocks im Hintergrund. Ganz allgemein ist der Klausenpass eine ziemlich felsige Angelegenheit – obschon der Pass doch gut 500 Meter tiefer liegt als seine grossen Geschwister in den Zentralalpen.
Einst war Urnerboden ein ganzjährig bewohntes und erschlossenes Dorf. Der stetige Einwohnerschwund führte allerdings dazu, dass schrittweise Post, Dorfladen, Schule und auch einzelne Restaurants dicht machten – seit 2007 ist die Zahl der ganzjährigen Einwohner so klein, dass das Postauto im Winter Pause macht und der einheimische PU Walker seinen Auftrag verlor. Die Buslinie, ab dann ausschliesslich im Sommer von der Auto AG Uri bedient, hat gerade das (ebenfalls stillgelegte) Hotel «Wilhelm Tell und Post» bei der alten Post passiert und wird in Kürze den Aufstieg zur Passhöhe in Angriff nehmen.
Quicklebendig ist dagegen das Hotel Sonne, wiederum mit eigener Haltestelle, im vorderen Teil des Bodens; es liegt direkt hinter dem Fotografen und markiert das obere Ende der Alpsiedlung Argseeli. Auch auf dem Boden sind die Dimensionen der Hochebene inmitten der Felsen eindrücklich; im Bild ist ein Hess-Bergbus unterwegs talauswärts, im Hintergrund das eigentliche Dörfli und der Anstieg zum Klausenpass.
Der Urnerboden gehört, wie schon der Name sagt, zum Kanton Uri. Von den Gründen dafür erzählt eine alte Sage, welche hier aus Platzgründen nicht weiter erörtert wird. Jedenfalls hat der Setra 213UL mit seinem Abendkurs gerade den Kanton Glarus und die grösste Schweizer Gemeinde, Glarus Süd, verlassen und überquert nun den Urnerboden. Der Wegfall der einst von PU Walker gefahrenen Frühkurse war für Wanderer und Berggänger ein Nachteil, weshalb an Wochenenden je ein zusätzliches (ab Flüelen gefahrenes) Früh- und Spätkurspaar eingeführt wurde. Dieses wurde anfänglich meist von einem angemieteten Fahrzeug gefahren, hier ein Setra 213UL von PU Tschannen, Zofingen, unterwegs mit dem abendlichen Spätkurs. Erst gegen 20 Uhr wird er wieder den Urner Talboden erreichen.
In den letzten Jahren kam auf dem Wochenendkurs gelegentlich auch ein Citaro LE zum Einsatz, welcher werktags zwischen Altdorf und Stans im Einsatz stand. Im Bild ist er unweit der Haltestelle Oberberg unterwegs talwärts bis Linthal. Aufgrund der früheren Erschliessungsfunktion ist die Strasse unterhalb des Bodens bis auf wenige kurze Stücklein zweispurig ausgebaut – der Blick reicht hinein in den Talkessel der Tierfehd und hoch zum Kalktrittli, Bergstation der Werksseilbahn zum Kratwerk Linth-Limmern.
In Gegenrichtung ist bereits Linthal zu sehen, Endpunkt der Bahnlinie aus Ziegelbrücke und hinterstes Dorf der grossen Fusionsgemeinde Glarus Süd. Der Süden der Gemeinde ist derzeit Abwanderungsgebiet, vor allem aufgrund der beendeten Mega-Baustelle Linthal 2020, welche mehrere neue Kraftwerksstufen umfasste und über Jahre Baupersonal ins Dorf zog. Mit besseren ÖV-Angeboten und einem attraktiven Wohnumfeld für Familien versucht die Gemeinde, dies zu ändern – ob es gelingen wird, muss sich erst noch zeigen, ist doch die Landschaft hier sehr schön, aber auch ziemlich schattig…
Nach weiteren Kehren, die auch am Wasserfall Berglistüber vorbeiführen, ist der Talboden in Linthal erreicht; die Passstrasse erreicht ihn im oberen Dorfteil unweit eines Ausgleichsbeckens; die Haltestelle Bebié ist nach der gleichnamigen Feinspinnerei und -Weberei benannt, einer der unzähligen Betriebe der Textilindustrie, die einst die Wasserkraft der Linth nutzten. Danach fährt der Bus eine Schlaufe durchs Dorf – im Hintergrund geht der Blick hinein ins Durnachtal, das bei Hochwasser für seine Murgänge berüchtigt ist.
Endstation Linthal: Am alten Bahnhofsgebäude fahren die Busse ab, und der Zug bringt die Reisenden stündlich, am Wochenende teils sogar häufiger, durch das langgezogene Glarnerland nach Ziegelbrücke und weiter nach Zürich. Nur noch zwei der einst fünf Gleise umfasst der kleine Bahnhof heute – immerhin, denn anschliessend gibt es bis Schwanden GL gar kein Ausweichgleis mehr… mit dem Bau einer neuen Ausweiche in Luchsingen wird aber längerfristig wieder eine solche geschaffen, was dann auch den Halbstundentakt ohne zusätzliches Fahrzeug ermöglichen soll. Für die Linie über den Klausen – dannzumal längst keine PostAuto-Linie mehr – wird dies vielleicht wieder neue Möglichkeiten zu Fahrplangestaltung bieten…