Letztes Update: 31. Oktober 2023, 11:15
Samnaun Post auf rund 1800 Metern über Meer ist der Endpunkt einer eineinhalbstündigen Postautofahrt, welche Ftan oberhalb Scuol mit diesem Zoll-Ausschlussgebiet am äussersten Rand der Schweiz verbindet. Erst seit Dezembe 2022 fahren die Busse der Linie 921 tatsächlich stündlich direkt – zuvor musste jede zweite Stunde in Martina auf den Midibus vom einheimischen PU Jenla umgestiegen werden. Einer dieser beiden Solaris 8.9LE wartet im Bild bei der am Ortseingang von Samnaun-Dorf gelegenen Post auf seine nächste Abfahrt talauswärts.
Die Direktkurse ab Scuol werden im Sommer mit Standardbussen des Typs Citaro LE oder Crossway LE gefahren – auch dann noch, wenn das Wetter, wie auf dieser Aufnahme im Oktober 2018, wenig mit Sommer zu tun hat. Während vor allem am Samstag auch bei schlechtem Wetter ein reger Verkehr zwecks Zollfrei-Shopping besteht, ist der Citaro LE an diesem Sonntag bei Samnaun-Ravaisch praktisch leer unterwegs taleinwärts.
Im Winter werden die (im Sommer auf den Saisonlinien nach S-Charl und Val Sinestra eingesetzten) Midibusse der Regie Scuol nach Samnaun eingesetzt – die Standardbusse werden dann in Scuol im Wintersportverkehr benötigt, und räumungsbedingte Schneehaufen in den Dörfern machen den Standardbussen in Samnaun ohnehin das Leben schwer. In der engen Ortsdurchfahrt von Compatsch ist ein Setra 412UL unterwegs taleinwärts – er wird in Kürze eine enge Linkskurve vollführen, welche zumindest die Standardbusse nur mit zweimaligem Ansetzen bewältigen können. Compatsch ist das unterste der fünf Dörfer und eines von nur zwei, das von den Bussen der Linie 921 direkt bedient wird (in den übrigen ist die Ortsdurchfahrt für Standardbusse zu eng).
Nach Compatsch auf 1700 Metern über Meer gilt es die mindestens 650 Höhenmeter ins Inntal zu überwinden, was auf zwei Wegen möglich ist. In jedem Fall wird nach einer Fahrt entlang der Grenze in Martina auf 1035 Metern über Meer wieder die zollrechtliche Schweiz erreicht, und bei den Midibuskursen muss hier umgestiegen werden. Noch bis Ende 2023 besteht hier auch ein Anschlussknoten: Der Setra 415UL vom Autobusbetrieb SAD wird über das österreichische Nauders und den Reschenpass nach Mals im italienischen Vinschgau fahren, der fast fabrikneue Crossway der Firma TLB (zweistündlich) als Eilkurs durch das Oberinntal nach Landeck-Zams mit Anschluss an den Railjet nach Wien. Hinter dem Crossway in Richtung Scuol und Ftan steht noch ein zweiter Regiewagen in Richtung Samnaun bereit.
Die Direktkurse ab Ftan und Scuol werden durch die Regie geführt und fahren über die erst 1980 eröffnete Österreichische Strasse. Diese verbindet den Weiler Kajetansbrücke in Pfunds mit der Spissermühle unterhalb von Samnaun-Compatsch und ist auch mit 12-Meter-Bussen befahrbar. Der Citaro LE hat gerade die Kehrenserie oberhalb Pfunds durchfahren und nun bei der Kajetansbrücke auf 991 m.ü.M. den Talgrund und den heute tiefsten Punkt des Scuoler Regie-Netzes erreicht. Ab Dezember 2023 wird hier (bzw. auf der anderen Seite der Inntal-Hauptstrasse) ein Anschlussknoten mit Verbindungen nach Nauders und Landeck bestehen. Bis um die Jahrtausendwende fuhren die Postautos ab Scuol teilweise direkt nach Landeck – aus dieser Zeit stammt auch die bis heute bestehende Akzeptanz des Generalabonnements auf der Strecke bis Landeck.
Seit Einführung des Postauto-Stundentaktes über die österreichische Strasse Ende 2022 fahren einige Postautokurse – morgens bergwärts und abends talwärts – auch mit einer kurzen Stichfahrt ins Dorf Spiss, um Skifahrer nach Samnaun und wieder zurück zu bringen. Ansonsten wird das kurze Strassenstück auch durch die wenigen verbliebenen Tiroler Buskurse Pfunds – Spiss befahren, welche vor allem den Schüler- und Pendlerverkehr abdecken. Der PostAuto-Stundentakt ab der Hauptstrasse unterhalb des Dorfes liegt weit über dem Niveau, das die Tiroler (und wohl im Zweifelsfall auch die Schweizer) Angebotsstandards für ein abgelegenes Dorf dieser Grösse vorsehen würden. Im Bild hat ein Crossway auf Bergfahrt gerade zu oberst im Dorf gewendet und fährt nun an der Kapelle vorbei zurück zur Hauptstrasse und weiter nach Samnaun.
Interessanter war bis Ende 2022 die Fahrt mit den in der jeweils anderen Stunde fahrenden Midibuskurse über Acla da Fans. Die schweizerische Strasse nach Samnaun führt seit 1912 über eine atemberaubende Strecke bergwärts. Mehrere steile Rüfen werden mit kurzen Tunnels bzw. Galerien unterquert, in denen für die eingesetzten Midibusse nur wenige Zentimeter Platz bleibt. Zu Hochflur-Zeiten mussten die Karosserien der Busse extra an diese Situation angepasst werden – dieser MB O303 mit Lauber-Aufbau biegt gerade in das Val Cotschna ein; im Hintergrund ist eine Galerie der österreichischen Strecke zu erkennen.
Seit 2011 wird die Samnauner Strasse massiv ausgebaut; die vier engen Felstunnels werden durch doppelspurige Tunnels mit grösserem Radius ersetzt. Mit dem Val Pischöt wurde 2017 der erste neue Tunnel eröffnet, die verbleibenden drei folgen sukzessive und werden der Strasse, zusammen mit mehreren Lehnenviadukten, ihren heutigen Charme weitgehend abnehmen. Ob die Investition angesichts der breiten und nur wenig längeren Strecke über Österreich notwendig ist, lässt sich durchaus hinterfragen – zumindest die Postautos machen seit Ende 2022 einen Bogen um die Strecke, um den neuen Anschlussknoten in der Spissermühle stündlich anzubinden, aber auch, um die häufigen Verspätungen aufgrund der Tunnelbaustellen zu umgehen. Bilder wie dieses gehören somit der Vergangenheit an - der Wagen befährt hier gerade das Cotschna-Tunnel und wird nach zwei weiteren Tunnel die Acla da Fans erreichen, das unterste Zollfrei-Shoppingcenter im Tal.
In Vinadi – zu Deutsch Weinberg – erreicht der Midibus den Talgrund des Inns. Auch hier befindet man sich mitten im Zollfrei-Gebiet – und die Inntal-Hauptstrasse, auf der nun der ganze Postautoverkehr nach Samnaun abgewickelt wird. Das neben dem Bus zu sehende Häuschen ist eines von nur vier Gebäuden im Weiler. Deutlich grösser, aber seit Jahrzehnten ausser Betrieb, sind die auf der anderen Talseite gelegenen Festungsanlagen von Alt- und Hoch Finstermünz.
Es folgt eine eindrückliche Schlucht, durch die bis vor wenigen Jahren noch noch der Inn rauschte – mit dem Bau eines neuen grenzüberschreitenden Staudamms sind diese Zeiten allerdings vorbei, und unterhalb des Sees wird vom Inn nur ein kleines Restwasserbächlein übrigbleiben. Auch die Strasse entlang des neuen Sees musste verlegt werden und wurde bei dieser Gelegenheit auch deutlich verbreitert – wobei die Arbeiten im Sommmer 2023 noch am Laufen waren und dem Fotografen eine schwierige Stellensuche bescherten…
Ab Martina fahren stündlich Kurse der Regie talaufwärts bis Scuol. Sie bedienen dabei auch die Dörfer von Strada und Ramosch, von wo aus Kleinbuslinien nach Tschlin bzw. Vnà abzweigen. Im Bild hat der Citaro, unterwegs talwärts Richtung Martina und Samnaun, gerade die Haltestelle Strada, Cuncalada, erreicht, wo der Kleinbus nach Tschlin wartet.
Diese Linie fährt ungefähr stündlich – aber mit grossen Lücken – hinauf ins Dorf Tschlin, das inzwischen dank innovativem Hotelkonzept, Brauerei und der bekannten Musikgruppe Ils Fränzlis da Tschlin eine gewisse Berühmtheit hat. Abgesehen von einigen Gruppen reicht aber der Kleinbus immer noch für die Nachfrage aus – immerhin könnte hier auch mit einem Midibus aus Scuol gefahren werden, ist doch die Strasse gut ausgebaut. Welchen Höhenunterschied die Busse in etwas mehr als 10 Minuten überwinden, wird mit dieser Aufnahme deutlich, die den Bus auf halbem Weg zeigt und an deren Rändern sowohl Tschlin als auch Strada erkennbar sind.
Auch die im benachbarten Vnà abzweigenden Kleinbusse nach Ramosch haben einige Höhenmeter zu überwinden, ganz so viele wie nach Tschlin sind es aber nicht; der Kleinbus hat gerade im Dorf am Eingang zum Val Sinestra gewendet und rollt nun wieder talwärts Richtung Ramosch. Im Gegensatz zur Linie nach Scuol reicht der Platz zum Wenden im Dorf nicht für einen Standardbus, und so bleibt der Kleinbus hier praktisch alternativlos. Beide Linien werden übrigens seit langer Zeit durch die Regie bedient, mindestens die Strecke nach Vnà war aber bis in die 2000er-Jahre noch eine der damals zahlreichen Ein-Mann-Postautohalter-Linien im Bündnerland und wurde von der Familie Zanetti bedient.
Der Setra 412UL hat im Nachbardorf Ramosch den Anschluss aus Vnà abgenommen und fährt vorbei an der herbstlichen Ebene talaufwärts Richtung Bezirkshauptort. Das nächste Dorf, Sent, wird durch die Kantonsstrasse umfahren und von Scuol mit einer Separaten Buslinie angebunden; die 921er-Busse bedienen nur die Haltestelle Crusch bei der Abzweigung dorthin.
Rund 20 Minuten nach Martina wird der Hauptort Scuol erreicht. Das Dorf mit seinen stattlichen Engadiner Häusern ist als Badekurort seit Jahrhunderten bekannt, heute wird das gesunde Wasser gern auch mit Wandern oder Skifahren kombiniert. Der Setra 412UL überquert gerade die Clozza, die das Dorf in zwei Hälften teilt, und erreicht dann das Badequartier mit der Haltestelle Bogn Engiadina.
Am Bahnhof Scuol besteht Anschluss an die Rhätische Bahn, die mit zwei kurz hintereinander fahrenden Zügen sowohl das Oberengadin mit Ziel Pontresina als auch das Nordbünden anbindet. Die Postautos begegnen sich stündlich in einem Taktknoten mit Kursen nach Sent, Tarasp, Ftan und Martina; die seit langem betrieblich durchgebundenen Linien 921 (Martina – Ftan) und 923 (Sent – Tarasp) tragen heute auch dieselbe Liniennummer. Heute sind Niederflur- und LE-Autobusse im Gebiet Standard – lediglich ein letzter Hochflurwagen ist noch in Scuol beheimatet.
Nach der Bedienung des Taktknoten ist Ftan das Ziel der Linie 921, das nach 10 Minuten und 350 Höhenmetern erreicht ist. Das Dorf lebt nebst dem Tourismus vor allem vom Schulinstitut, einer international ausgerichteten Schule für die gut betuchte Elite (deren Schüler wohl das Postauto eher von Aussen als von Innen kennen…) Das schöne Alpenpanorama mit dem Piz Lischana (3105) kann hingegen jedermann bestaunen, und als Bonus zu Scuol bleibt auf der Geländeterrasse auch die Sonne länger über dem Horizont. So fährt der Bus in der Saison inzwischen zeitweise halbstündlich über die steile Strasse von Scuol hinauf, wie hier dieser Crossway LE wenig unterhalb der Ortseinfahrt (Foto: Silvan Pleisch).
In Gegenrichtung ist hier ein Volvo 7900LE vor der Kulisse des schmucken Dorfes zu erkennen – es ist auch ein Neben-Einstiegspunkt zum Skigebiet von Scuol, die in der Schweiz fast zwangsläufig dazugehörenden, weniger schmucken Ferienhausanlagen sind aus diesem Blickwinkel gut versteckt. Die Volvos wurden nach Kurzer Zeit in Scuol wieder ersetzt und zu anderen Standorten verschoben, um Platz zu machen für eine reine Iveco-Midibusflotte. Foto: Silvan Pleisch.